Scheidungsmediation als nicht ausschließlich
anwaltliche Tätigkeit gehört ebenso nicht unmittelbar
zu den klassischen Feldern der Sozialarbeit Welche
neuen und mitunter unkonventionellen Möglichkeiten
ergeben sich aus diesem Spannungsfeld - die Autorinnen
und der Autor wollen in diesem Beitrag Gedanken
zu einem Modellprojekt "Biprofessionelle Mediation"
am Gesundheitsamt Dresden vorstellen.
Die Autoren, eine Richterin, eine Diplom-Sozialpädagogin
und ein Rechtsanwalt, haben gemeinsam die Ausbildung
Familienmediation vom Verein Zusammenwirken im
Familienkonflikt in Berlin absolviert. Da wir
drei in Dresden wohnen, war schnell klar, dass
wir gemeinsam ein Projekt beginnen wollten. Die
Sozialpädagogin war bei der Ehe- und Familienberatungstelle
des Gesundheitsamtes angestellt. So bot es sich
an, unser Projekt hier anzubinden. In Dresden
war 1998 Mediation noch nicht sehr bekannt und
wir stellten unsere Idee zuerst der Leiterin des
Gesundheitsamtes und ihrem Team vor. Wir trafen
auf breite Zustimmung und wohlwollende Unterstützung.
Eine entscheidende Rolle spielte hierbei unsere
unterschiedliche berufliche Ausbildung und Erfahrung.
Wir alle waren gespannt, wie unsere Zusammenarbeit
funktionieren und wie Eltern unser Angebot annehmen
würden.
Neben dem Gesundheitsamt stellten wir unser Konzept
in verschiedenen anderen Beratungsstellen und
im Jugendamt vor; boten Informationsabende zu
familienrechtlichen Themen an, wirkten bei diversen
Telefonaktionen der regionalen Zeitung und deren
Ratgeberseite mit und konnten unser Projekt schließlich
sogar im Regionalfernsehen vorstellen. Dadurch
konnten wir interessierte Eltern für das Mediationsverfahren
gewinnen. Während der Projektdauer von zwei Jahren
wurde das vom Gesundheitsamt kostenfrei zur Verfügung
gestellte Angebot von 15 Paaren angenommen. Im
Mittelpunkt der Verhandlungen stand die Sorge
für die Kinder. Damit eng verknüpft waren auch
die Klärung und Regelung finanzieller Fragen.
Wir arbeiten ausschließlich in Co-Mediation im
Wechsel Sozialpädagogin/Richterin oder Sozialpädagogin/
Rechtsanwalt, so dass immer die psycho-soziale
Profession mit der juristischen verbunden werden
konnte.
Die hohe Professionalität erzeugte eine entsprechend
hohe Erwartungshaltung bei den Eltern. Sie hofften
auf eine von uns erarbeitete, schnelle, juristisch
abgesicherte Lösung. Wir sahen aber unsere Aufgabe
nicht darin, fertige Lösungen zu präsentieren.
Vielmehr war es unser Ziel, das schöpferische
Potential der Eltern für kreative eigene Lösungen
zu aktivieren. Zuerst mussten unterschiedliche
Motivationen, Wünsche und Ziele der Paare geklärt
werden. Es galt, ein Mindestmaß an gemeinsamen
Rahmen und des möglichen Gewinnes für beide ohne
Verlierer zu schaffen - im Sinne eines Verhandlungskonsenses.
Der Vorteil der Mediation gegenüber der rein
juristischen Lösung im gerichtlichen oder anwaltlichen
Vergleichsverfahren ist bekanntlich, dass Eltern
in einer konstruktiven Gesprächsatmosphäre Lösungen
selbst erarbeiten. Die hinter dem Konflikt stehenden
Interessen können benannt und in ein individuelles
familienbezogenes Gesamtkonzept eingebracht werden.
Die eigenen Wertvorstellung und die individuellen
Gesichtspunkte von Fairness sind der Maßstab für
die Lösung ohne Verlierer. Damit Interessen, die
die Eltern sich im Verhandlungsprozess oft erst
bewusst machen müssen, benannt , bisherige Maßstäbe
hinterfragt und entwickelt werden können, sind
offene und zukunftsorientierte Fragetechniken
der Mediatoren hilfreich.
Um verschiedene Optionen möglicher Lösungen am
rechtlichen Rahmen zu kontrollieren, gibt den
Eltern die juristische Mitwirkung Sicherheit.
Der psycho-soziale Mediator hat aktives Zuhören
gelernt: er beobachtet den Gesprächsablauf oder
nimmt Ungleichgewichte wahr, z.B. wenn ein Elternteil
zu wenig zu Wort kommt, sich übergangen fühlt,
ungeduldig wird oder Unterstützung und Erläuterung
braucht. So kann die dahinterliegende emotionale
Bedeutung eines sichtbar sachlichen Konfliktes
für das Paar und die Mediatoren deutlicher werden
und die Suche nach adäquaten Lösungen unterstützen.
Der Jurist ist gewohnt sach- und ergebnisorientiert
zu arbeiten. Die Mediation verlangt/bietet einen
anderen Weg/Vorgehen. Wie sich eine Lösung entwickelt
und wie sie entsteht ist in der Mediation von
besonderer Bedeutung. Bei der Gesprächsführung
erweist sich deshalb die Zusammenarbeit mit einem
psycho-sozial ausgebildeten Mediator als Gegenpol
und Korrektiv. Angesichts der Vielfalt der juristischen
Probleme ist umgekehrt der Jurist darauf geschult,
sie einzuordnen, zu gewichten, schnell Vor- und
Nachteile abzuwägen und zu strukturieren. Davon
profitiert der psycho-soziale Mediator.
Das Mediationsverfahren bietet die Chance, unbeschwert
von rechtlichen Lösungen den vorhandenen "Kuchen"
zu erhalten, bestenfalls zu vergrößern, indem
Resourcen gesucht und ausgeschöpft werden. Unterschiedliche
berufliche Erfahrungen der Mediatoren erweisen
sich als sehr hilfreich. So können im rechtlichen
Bereich Kenntnisse von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten
und finanziellen staatlichen Unterstützungen für
die Abfederung der finanziellen Trennungsfolgen
einer Familie wichtig sein z.B. Steuerersparnisse,
Wohngeld und andere Sozialleistungen!
Im psycho-sozialen Bereich sind Kenntnisse der
Familienforschung und der Paardynamik gefragt
z.B. mögliche altersabhängige Trennungsreaktionen
der Kinder , ihre Bedürfnisse und Entwicklungsschritte
bei der Neuorganisation der Familie und die Aufgaben
der Eltern hierbei. Dies kann bei Entscheidungen
über den zukünftigen Wohnort oder das angestrebte
"Versorgungsmodell" wichtig sein.
Der Vorteil von Co-Mediation allgemein ist, nicht
isoliert arbeiten zu müssen, sondern sich mit
jemand direkt austauschen zu können, der den Prozess
ebenso mitverfolgen kann wie man selbst. Zudem
können sich die Mediatoren unterschiedliche Aufgaben
zuteilen - mehr Zuhören und Verfolgen des Prozesses
oder mehr Führen des Gesprächs. Bei unterschiedlicher
beruflicher Herkunft wird in den Austausch die
jeweilige Fachkompetenz und unterschiedliche Berufserfahrung
eingebracht. Diese Zusammenarbeit erzeugt eine
produktive Spannung.
Der Austausch findet nicht nur nach den Sitzungen
statt, sondern u.U. auch während der Mediation
vor den Eltern. So kann der Prozess verlangsamt
und vertieft werden, wenn Entscheidungsdruck die
Selbstverantwortung gefährdet, ebenso können die
Mediatoren unterschiedliche Wahrnehmungen benennen
und dadurch für das Paar hilfreich sein. Das sich
trennende Paar kann sich in ihrer eigenen Unterschiedlichkeit
erkennen und spiegeln. So kann deutlich werden,
dass unterschiedliche Sichtweisen normal, zugelassen,
auszuhalten sind und konstruktiv sein können.
Ein wesentlicher Grundsatz der Mediation wird
damit optimal umgesetzt.
Der Gewinn durch die biprofessionelle Zusammenarbeit
findet nicht nur im konkreten Mediationverfahren
statt, sondern wirkt allgemein im beruflichen
Alltag der Autoren. Wir sehen seitdem Trennungs-
und Scheidungskonflikte in einem größeren Rahmen,
auf verschiedenen Ebenen und mit mehr Verständnis
für die dahinterliegende Dynamik.